Irreführende Werbung mit dem Begriff „Kieferorthopädie“

Immer wieder stellen nicht weitergebildete Zahnärzte Ihre kieferorthopädische Tätigkeit in einer Art und Weise dar, die den Patienten zu der Annahme verleitet, er habe es mit einem Kieferorthopäden, also einem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zu tun. Häufig begegnet man dabei einer „Praxis für Kieferorthopädie“ und natürlich immer wieder dem Leistungsangebot „Kieferorthopädie“. Hiermit hatte sich nun auf eine Klage der ZÄK Nordrhein der Bundesgerichtshof (Urteil v. 29.07.2021; Az.: I ZR 114/20) zu befassen – und hat dabei einiges klargestellt.

So räumt der BGH mit der Überlegung auf, der „durchschnittlich informierte Verbraucher“ – auf den es für die Irreführung ankommt – würde ohnehin nicht zwischen dem Fachzahnarzt und anderen Bezeichnungen unterscheiden können. Vielmehr, so der BGH, sind dem Durchschnittsverbraucher „Facharzt- und Fachzahnarztbezeichnungen zwar nicht fremd; er kennt dementsprechend auch den Begriff „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ und noch mehr die gebräuchlichere Abkürzung „Kieferorthopäde“. Darunter stellt er sich einen Zahnarzt vor, der eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet der Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert hat.“ Aufgrund der „Gebräuchlichkeit der Bezeichnung „Kieferorthopäde“ – anders als bei seltener vorkommenden Angaben wie „Master of Science Kieferorthopädie“ habe der Verbraucher auch keinen Anlass, sich näher über deren Bedeutung zu informieren. Damit dürfte nun also auch ein für alle Mal klar sein, dass auch die Verwendung des Begriffs „Kieferorthopäde“ ausschließlich Fachzahnärzten für Kieferorthopädie vorbehalten ist.

Die Verwendung der Begriffe „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt)Praxis für Kieferorthopädie“ durch nicht weitergebildete Zahnärzte kann nach der Entscheidung des BGH ebenfalls irreführend und damit unzulässig sein. Ein erheblicher Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher gehe „mangels Kenntnis der Besonderheiten des zahnärztlichen Berufsrechts davon aus, nur ein „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ oder „Kieferorthopäde“ dürfe kieferorthopädische Leistungen erbringen.“ Deshalb werde dieser Teil der angesprochenen Verkehrskreise durch die genannten Begriffe“ zu der Vorstellung gelangen, der werbende Zahnarzt habe eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert.“

Allerdings musste der BGH auch berücksichtigen, dass jeder Zahnarzt berechtigt ist, kieferorthopädische Leistungen anzubieten. Hat die Praxis daher einen Schwerpunkt auf diesem Gebiet, ist es zunächst eine zutreffende Beschreibung, wenn die Praxis als „Praxis für Kieferorthopädie“ bezeichnet werde, oder „Kieferorthopädie“ angeboten wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann aber auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung mit einer „höheren Irreführungsquote“ führt. Dies hat der BGH hier bejaht. Deshalb darf mit den Angaben „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“ nur dann geworben werden, wenn der Fehlvorstellung, der betreffende Zahnarzt sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegengewirkt wird. Welche Maßnahmen der Aufklärung zu fordern sind, richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Soweit – wie im Streitfall – Angaben im Internetauftritt eines Zahnarztes betroffen sind, kommt insbesondere ein deutlicher Hinweis auf die Art der von ihm erworbenen Zusatzqualifikation und den Umfang seiner praktischen Erfahrung in Betracht. Dabei hat der BGH eine Verwendung des Begriffs „Kieferorthopädie“ in unmittelbarer Nähe zu der klarstellenden Bezeichnung „Master of Science Kieferorthopädie“ als ausreichend angesehen, die alleinstehende Verwendung „Kieferorthopädie in der …-Straße“ jedoch als irreführend angesehen.

Sehr erfreulich ist natürlich auch, dass der BGH die Bedeutung der Fachzahnärzte sehr klar herausstellt:

„Die Weiterbildung zum Fachzahnarzt dient der Sicherstellung einer hohen Qualität der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut. Die Fachzahnarztbezeichnungen stellen zugleich eine Orientierungshilfe für die an einer Behandlung interessierten Patienten bei der Auswahl eines geeigneten Zahnarztes dar.“

Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen.

Mit den besten Grüßen

Ihr Fachzahnarzt für Kieferorthopädie

Dr. Guido Radecker
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